Im 3sat-Kulturzeit-Interview vor einigen Wochen erklärte Domscheid-Berg das Konzept seines "OpenLeaks Projektes":
Es soll lediglich eine technische Infrastruktur bereitstellen, damit Whistleblower anonym per Internet ihre geheimen, brisanten Informationen an von ihnen ausgewählte Adressaten verschicken können. Also das was WikiLeaks zuletzt gemacht hatte, als es seine CableGate-Daten an den SPIEGEL übergab.
Aber eigentlich ging es mit WikiLeaks ja ursprünglich darum, die Geheimnisse mächtiger Institutionen und Organisationen unter Umgehung der kommerziellen Medien ungefiltert und kostenlos einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Offenbar will man also mit den Whistleblowern Geld verdienen. Geheimnisse sind ein kostbares Gut. Abgesehen davon, dass jede weitere Zwischenstufe bei der Übermittlung von Daten die Möglichkeit von Eingriffen durch die Geheimdienste vergrössert, bleibt die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit der unbekannten Macher und Verwalter der technischen Infrastruktur.
Open Leaks ist offenbar nichts anderes als eine den Medien vorgeschaltete Geheimnis-Sammelstelle, die vom positiven Image von WikiLeaks profitieren soll, und für die Medien den Vorteil bietet, falls Informanten / Whistleblower auffliegen sollten, sind die Medien und ihre Journalisten fein raus, weil es so dargestellt werden könnte, dass entweder die Anonymisierungs-Technik von OpenLeaks oder einzelne ihrer (unbekannten) Mitarbeiter versagt haben. Dann braucht nur ein öffentlich gemachtes Gesicht ausgewechselt zu werden, schlimmstenfalls wird OpenLeaks umbenannt, und das Spiel beginnt von neuem. Die Namen grosser Medien und bekannter Journalisten bleiben unbefleckt, machen aber die dicke Kohle mit den Stories.
Ich bin also sehr skeptisch gegenüber dem Projekt. Weil es mit der ursprünglichen, guten Idee von WikiLeaks nichts mehr gemein hat, obwohl Domscheit-Berg das von Assange angeblich immer eingefordert hatte und auch darum angeblich WikiLeaks verlassen hatte. Skeptisch, weil es offenbar primär dem Kommerz dient, denn man kann davon ausgehen, dass die Medien sich über kurz oder lang bei Domscheit-Berg erkenntlich zeigen werden, wenn er sie mit interessanten Daten beliefert hat. Und skeptisch, weil das Projekt eine weiterer Trick der Zerfaserung von Verantwortung ist, wenn ein Informant auffliegt.
Wenn ein Whistleblower Geheimnisse an bestimmte Medien adressieren will, erscheint mir immer noch der beste Weg, CDROM, DVDs oder Speicherchips per Post zu versenden oder direkt einzuwerfen. Aber eigentich ist nicht einzusehen, warum SPIEGEL, Stern und Co den Reibach machen dürfen mit den Geheimnissen und dem Risiko anderer. Darum ist und bleibt es wichtig, sowas wie WikiLeaks zu haben, oder neu oder wieder zu bekommen.